Ich muss zugeben: Zu den Leuten, die sich intensiv mit Fußball auseinandersetzen, gehöre ich ganz sicher nicht. Klar, ich schaue ab und zu in ein Spitzenspiel, und zu WM oder EM lasse ich mich von meinen Freunden gerne in den Biergarten schleppen. Aber ansonsten bekomme ich vom Sportgeschehen — und vor allem vom Klatsch und Tratsch drumherum — denkbar wenig mit.
Ausgerechnet aus dem Fußball kommt nun ein bemerkenswertes Statement. Christian Streich, Trainer des SC Freiburg, hat die Pressekonferenz am vergangengen Donnerstag dazu genutzt, über die aktuelle Situation mit Zufluchtsuchenden zu sprechen.
Guter, besonnener Mann. Ich hoffe, es hören genug zu.
Die [https://www.badische-zeitung.de Badische Zeitung] hat davon ein Video onlinegestellt:
<iframe width="640" height="360" src="https://www.youtube.com/embed/vocH-WeXfo8" frameborder="0" allowfullscreen></iframe>
EDIT: //Hier die Mitschrift. Sie wurde nur leicht geglättet.//
Also grundsätzlich ist es so, dass ich finde, dass man vor Ort... Also Länder, die die finanziellen Mittel haben, nicht nur europäische Länder, vor Ort in erheblich höherem Maße humanitäre Hilfe leisten müssten, damit soviel wie möglich Menschen dort bleiben können, wo sie ihre Familie haben und wo ihre tatsächliche Heimat ist und wo die Verbindungen sind, die emotionale und familiäre Verbindung. Ich glaube, da sind entscheidende Fehler gemacht worden in den letzten Monaten, weil es zur Seite geschoben wurde und dann sogar noch Gelder reduziert wurden von Ländern wie von uns und anderen Ländern in der europäischen Union. Aber auch von Katar und Saudi Arabien, also Länder, denen es wahrlich nicht an Geld mangelt. Ich glaube, das ist der entscheidende Fehler gewesen. Und jetzt geht es darum, dass man sich den Menschen gegenüber öffnet, dass man sie empfängt, dass man Ängste abbaut. Weil, oft geht es um ganz viele Dinge, finde ich. Es geht einfach um Angst. Also, es geht immer um die Angst vor dem anderen und die Angst vor dem Fremden.
Das kann man bei sich selber ja beobachten.
Geht man in irgendein Land, wo... Ich war mal im Jemen mit der A-Jugend vom SC Freiburg. Gut, ich bin vorher schon viel gereist und ich hab einfach viel Interesse dran gehabt. Ich fand immer Andere spannend und habe immer um die Ecke herum geschaut. Bin überall in Jakarta und bin überall hin in die Hinterhöfe rein gegangen. Mich hatte es einfach interessiert. Ich wollte wissen, was passiert da. Aber es geht einfach darum, andere Sachen zu sehen, andere Denkweisen kennen zu lernen. Es ist halt so, dass in anderen Kulturen anderes gedacht wird. Man kann sich das gar nicht vorstellen. Es wird anders gesprochen. Es gibt völlig andere Herangehens- weisen an Dinge, die man sich hier, weil man so sozialisiert ist, sich gar nicht vorstellen kann. Und jetzt geht es darum, sich da zu begegnen. Und kurzfristig vielleicht auf einen gewissen Wohlstand, in einer gewissen Weise, nicht zu verzichten, aber umzuverteilen gewisse Dinge. Von vielen Menschen, die viel mehr haben, zu den Menschen, die wenig haben.
Und dann kommt natürlich noch dazu, dass wir...
Alle Leute in der Wirtschaft, die sich dezidiert damit auseinander setzen, sagen: "Wir brauchen Arbeitskräfte. Wir brauchen Fachkräfte." Wenn Sie ins Handwerk schauen, da zähle ich jetzt mal Metzger und Köche dazu. Da gibt es Gaststätten, die haben einen Stern. Und große Hotels, bekannte, nicht so weit von hier weg, die machen dann zu an einem Tag, weil sie keinen Koch mehr haben.
Ich meine, die Leute ankommen lassen, ihnen ein anständiges Umfeld bieten, natürlich unbedingt sofort die Sprache lernen, verpflichtend, außer Frage. Es gibt keine Alternative zu Sprache. Und dann arbeiten lassen.
Wenn du junge Menschen nicht arbeiten lässt, ob das jemand ist aus Syrien oder jemand aus Deutschland.. Wenn man mich mit 30 Jahren nicht arbeiten gelassen hätte und mich irgendwo eingesperrt hätte in ein Haus, und ich mit ganz vielen anderen Menschen zusammen gewohnt hätte und ich hätte über Jahre nicht arbeiten dürfen, dann wüsste ich nicht, was ich gemacht hätte. Ich will das nicht weiter ausführen. Auf jeden Fall wäre der Aggressionspegel gestiegen. Es wäre zu Auseinandersetzungen gekommen und ich hätte mich geschämt, weil ich meine Kinder nicht irgendwie noch kleine Roller oder irgendwas besorgen könnte. Das ist beschämend für dich dann als Mensch. Deshalb arbeiten lassen, Programme entwickeln. Alles dafür tun, dass wir diese Menschen integrieren können. Weil wir brauchen diese Menschen unbedingt.
Und dann will ich Ihnen noch ein Satz dazu sagen: All die, die diese Ängste schüren, sind wahrscheinlich zu 80 - 90% Menschen, die eine Generation vorher, zwei Generationen vorher, oder machen wir es maximal drei Generationen vorher, Flüchtlinge oder Vertriebene waren, die aus irgendwelchen Gegenden, aus Osteuropa oder aus anderen Gegenden hierhergekommen sind – aufgrund von Krieg, aufgrund von Arbeitslosigkeit, aufgrund von Not. Wenn jeder hier drin in dem Raum zurückgeht, mehrere Generationen, hat er einen Migrationshintergrund zu 80 bis 90 Prozent, von der Mutter, vom Vater, vom Urgroßvater.
Irgendwoher sind die Leute gekommen und sind irgendwann an diesen Ort gekommen. Wir waren nicht immer da, wo man ist. Und ich glaube, da muss man die Menschen aufklären. Wir alle sind eigentlich irgendwann Flüchtlinge gewesen. Es ist immer eine Bewegung von Menschen. Es ist nie ein Stillstand. Das was jetzt passiert, war immer so. Es war nach dem Ersten Weltkrieg so. Es war nach dem Zweiten Weltkrieg so. Es sind aus dem Bremer Hafen acht Millionen Menschen verschifft worden, acht Millionen nach erstem und zweitem. In Hamburg fünf Millionen. Die hatten nix dabei. Die sind nach Amerika, Australien, Südamerika. Das muss man den Menschen bewusst machen, dass wir eigentlich alle selber Menschen sind, die irgendwann da gelandet sind und irgendwoher kamen, aus Hungersnot, aus Kriegsnot und aus anderen Gründen. Und genau das passiert jetzt. Genau das ist es.
Und vielleicht noch als abschließender Satz: Der Außenminister von England, mir fällt der Name gerade nicht ein, hat nach dem ersten Weltkrieg gesagt, als vieles in Trümmern lag: Europa wäre, sinngemäß, der verlorene Kontinent und er hätte größte Bedenken, ob die nächsten Jahrzehnte auf diesem Kontinent noch ein Leben lebenswert wäre. Er hat recht gehabt. Es war nicht lebenswert, es kam dann der Zweite Weltkrieg. Also er hat ein Stück weit recht gehabt. So, das war die Aussage vom britischen Außenminister nach dem ersten Weltkrieg. Europa war über Jahrzehnte ein verlorener Kontinent, mit Millionen von Toten, mit furchtbarsten Ereignissen. Das muss man sich bewusst machen. Das ist noch nicht so lange her. Jetzt ist es schwierig in Afrika, schwierig im Nahen Osten. Da gibt es Gründe, dass sie dort viele Fehler gemacht haben und andere Gründe, natürlich dass Europa über, man kann sagen, Jahrhunderte diese Kontinente ausgebeutet hat. So und ich glaube diese Aufklärung ist wichtig, dass das dargestellt wird. Dann ist vielleicht die Haltung eine andere. Aber ich bin sehr glücklich, dass ich in Deutschland bin und kann mich im Moment stark als deutsche Nation, das ist halt so. Ich bin zwar nah an der Schweizer Grenze geboren, aber habe einen deutschen Pass und ich bin im Moment über vieles, was so passiert, auch in Deutschland, auch sehr erfreut. Weil doch irgendwie was gelernt wurde. Und andere Dinge natürlich sind wieder schlimm. Aber ein großer Teil der Menschen haben große Solidarität und da bin ich sehr glücklich drüber.
Jetzt haben wir wenig über Fußball geredet.
Aber es gibt wichtigere Themen.