LH 171.
Die Anzüge fliegen zur Arbeit.
Dichter Nebel. 6:32, rot blinkend auf den Bildschirmen. Gut, dass hier keiner Epilepsie hat. Und wenn, dann sabbert er oder sie gerade ruhig vor sich hin. //Sehr rücksichtsvoll.// 6:33.
Instrumentenlandung. Vernünftig.
Deboarding. 7:12. Flughafen, FFM Cityplex.
Überall Suits, ihre gottverdammten Rollkoffer und der aufdringliche Geruch von Lattecappuhipster-Shops. So wie das eine Extraktion war wie alle anderen, so war dieser Flughafen wie alle anderen. Amsterdam, S'pore, Toronto, Frankfurt. Wo war der Unterschied? Es war egal, wo man keinen Schlaf fand, es war egal, wo einen die AR hinlotste. Die richtige Sprache und die richtigen Bewegungen eingechipt, damit Du in der Umgebung nicht auffällst, und schon fällt sie Dir auch nicht mehr auf. Wo hatte er den guten Kaffee neulich? Es war jedenfalls nicht hier. Wi-der-lich. Dann die Fernbahn.
Beleuchtete Arkologien kleckern blutrotes Licht über den Smog des Sprawls. Irgendwo über ihnen muss die Sonne noch aufgehen. An Plätzen wie hier unten verändert sich lediglich die Hintergrundfarbe. //Gut gemacht, Jungs.//
Beschleunigung.
Krankes Gelb einer mageren Morgensonne ergießt sich über den Rauch der Schornsteine. Mannheim. Der Zug rast vorüber. Oder war es die Landschaft? Der Soycaf vor ihm schmeckt so synthetisch wie er wohl ist. Immerhin: Koffein. Warm genug. //Irgendwer müsste mal überschlagen, ob es überhaupt genügend Soja gibt für den ganzen Kaffee. - Besser nicht.//
Bald schon spuckt ihn die Bahn in der Baustelle aus, die mal wieder eine Stadt werden soll.
Vorbereitungen. Papierkram.
Deutlich mehr als ein paar verklärte Erinnerungen verband ihn nicht mit dieser Stadt. Sentimentalität ist für Arschlöcher. Für //tote// Arschlöcher, wenn die nicht aufpassten. Die Gegend nennt sich noch "TechnologieRegion". Marketingsprech aus alten Zeiten, von //davor//. Vermutlich war einfach die ganze Gegend kollektiv ein Arschloch.
Tot. So gut wie. Jedenfalls ziemlich bedeutungslos. //Aber wen juckt schon das große Ganze?//
Umziehen. Aussteigen. Ecocab. 10:34.
Würde er dem gestriegelten Kotzbrocken von der ExtPro etwas von der //TechnologieRegion// erzählen, würde der sich wohl totlachen. Schade wär's nicht um ihn. Alleine seine herablassende Art, das makellose, unverbindliche Lächeln und die leeren Gen4-Zeiss-Augen, getackert in ein Gesicht, das entweder überarbeitet oder komplett neu war. Eigentlich egal, die Kohle stimmte und sie kam pünktlich. Immer.
10:45. Das Ecocab quietscht und hält. Die Reihenfolge dabei ist unscharf, post-postmodern. Treffen Sie P am Marktplatz, 11:45, dann Lunch und das übliche Programm. //Eine Stunde also.//
Andererseits.. am Perfluss hielt sich ja eine Weile hartnäckig die Geschichte, dass //AI-Null// womöglich aus Mitteleuropa stammt. Geboren in einem unbedeutenden Rechenzentrum in einer unbedeutenden Stadt, einer Stadt die bei fucking //Francia// liegen soll.
10:52. //Wen interessiert eigentlich solche Folklore außer ein paar verschrumpelten Chinamännern bei versalzenem Chop Suy?// Eingechipt. //Alter, slick!//
11:04 Uhr. Zeit, aufzuproffen. Hinsetzen. Café. Zurückgenommenes Personal. Andere Welt. Glasfront, erstes Obergeschoss. Rücken an die Wand, Aktentasche zur Seite, Blick zur Hälfte in den Raum hinein, zur Hälfte über den Marktplatz. Pyramide. Dahinter irgendwo die Nordostarkologie. Echter Kaffee.
//Das war ein Beitrag für das Adventsbloggen 2012. Er entstand nach einem [https://plus.google.com/+KristianK%C3%B6hntopp/posts/JmxShWXCZBL spontanen Geschichtenjammen auf Google+].//